Ilya Kabakov: Flügel 1996

  • Ilya Kabakov: Flügel
, 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Ilya Kabakov: Flügel , 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

  • Ilya Kabakov: Flügel
, 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Ilya Kabakov: Flügel , 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

  • Ilya Kabakov: Flügel
, 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Ilya Kabakov: Flügel , 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

  • Ilya Kabakov: Flügel
, 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

    Ilya Kabakov: Flügel , 1996 / © VG Bild-Kunst, Bonn; Fotonachweis: DNB / Stephan Jockel (2017)

Die Deutsche Nationalbibliothek prägt mit ihrer horizontalen Ausrichtung den Stadtraum des Frankfurter Nordend. Der ausgedehnte Gebäudekomplex an der Kreuzung Adickesallee / Eckenheimer Landstraße greift mit seinen Untergeschossen für die Depotanlage tief in den Boden ein. Die Baumaßnahmen machten eine massive Fundamentbeschwerung wegen des Auftriebs durch den Grundwasserspiegel nötig. Die Benutzer der Bibliothek haben mit diesem unterirdischen Bereich wenig zu tun. Die immerhin dreigeschossige Tiefgarage erschließt sich vom Gebäude aus über einen sachlich-funktional gestalteten Zugang. Dieser ist jedoch durch eine Installation des New Yorker Künstlers Ilya Kabakov als ein besonderer Ort gekennzeichnet.
Die Entscheidung für den Künstler aus dem Kreis der Moskauer Konzeptualisten hat die betreuende Auswahlkommission mit Bedacht getroffen: Kabakov hatte sich in seinen Installationen immer wieder auf rätselhafte oder ausgesprochen schwierige Raumverhältnisse und Atmosphären bezogen. Dabei entwickelte er seine Idee der „totalen Installation“ zu einem eigenen Fachbegriff und setzte diese ausgreifende künstlerische Konzeption in zahlreichen komplexen Inszenierungen um. In aller Regel schuf er dabei abgeschlossene, neue Räume. Neben Fragen der Atmosphäre standen für diese Arbeiten die eigenen Erfahrungen in den verschachtelten Verhältnissen der sowjetischen Großraumwohnungen Pate. Kabakov ging diesen Überlegungen auch in einer Reihe von Vorlesungen nach, die er in den frühen 1990er Jahren an der Frankfurter Städelschule hielt.
Mit seiner sich über alle drei Geschosse erstreckende Anlage bezieht sich Kabakovs Installation auf die vorhandene Raumsituation. Diese ist gekennzeichnet durch eine jeweilige Aufteilung zwischen einem Podest auf dem Grundriss eines Viertelkreises und dem sich über die drei Geschosse erstreckenden Schacht. Der Künstler hat diese räumliche Anlage als eine Folge von drei auf die Raumecke des Schachts hin gerichtete Aussichtsplattformen inszeniert, die jeweils einem Bild zugeordnet sind. Ein besonderer Akzent dabei ist, dass die drei übereinander platzierten Bildtafeln quer gehängt sind und die Ecksituation teilweise verdecken. Eine eigene Beleuchtung unter der Decke des Schachts ist durch eine Blende auf die Bildtafeln ausgerichtet.
Bei den auf Sperrholz gemalten Bildtafeln folgt auf das zuoberst gezeigte, weitgehend weiße Bild mit zwei kleinen in der Bildmitte eingezeichneten Flügeln ein zweites Bild, das in den oberen Ecken die in kyrillischer Schrift gestellte Frage nach dem Besitzer der Flügel enthält. Im untersten, nur noch wenig von der Lichtquelle profitierenden Geschoss weist das Bild neben diesen Merkmalen zahleiche materielle, an Beton erinnernde Spuren sowie Fußabdrücke auf. Die Fragen des Bildes im mittleren Geschoss wiederholen sich, aber die Antworten variieren: einmal wird Olga Iwanowna als Besitzerin angegeben, dann Angelina Iwonowna – ohne dass die kryptische Bilderzählung ihren Zusammenhang dadurch weiter erschließt.
In den Pultvitrinen befindet sich eine Folge von Papieren, die ein vielstimmiges Gespräch über diese Installation enthält. Dieses Gespräch kreist um die Frage, wem die Flügel gehören, aber auch um die Umstände dieses Raums und seinen funktionalen Zusammenhang mit der Bibliothek. In dieser Inszenierung wirkt es zunächst so, als habe Kabakov diese Kunst am Bau-Maßnahme für eine Beteiligung durch das Publikum geöffnet und diese – mitunter kritischen und sogar polemischen – Kommentare gesammelt und zum Bestandteil der Arbeit gemacht. Dieser Kunstgriff ist Teil der „totalen Installation“, die in diesem Fall ihre Rezeption einschließt. Als Kunst am Bau markiert Kabakovs Arbeit eine prononcierte Auseinandersetzung mit den spezifischen Gegebenheiten des Ortes, der mitunter erfolgenden Überfrachtung räumlicher Verhältnisse und ihr selten thematisierten Wahrnehmung. J.S.

Weiterführende Literatur Online:
Martin Seidel / Claudia Büttner / Johannes Stahl (Autoren), Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Kurzdokumentation von 300 Kunst-am-Bau-Werken des Bundes von 1950 bis 2013, BBSR-Online-Publikation Nr. 03/2018, Februar 2018.

Weiterführende Literatur:
Langen-Wettengl, Ruth / Jockel, Stephan, 2017: Zugabe - Kunst in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, Frankfurt
Lehmann, Klaus-Dieter / Kolasa, Ingo, 1997: Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main. Ein Dialog zwischen Architekten und Bibliothekaren, S. 114-115
Staatliche Neubauleitung Deutsche Bibliothek (Hg.), 1996: Die Deutsche Bibliothek Neubau, Frankfurt am Main, S. 26-27
Kabakov, Ilya, 1995: Über die „totale“ Installation, Ostfildern


Installation
Tafelbilder Öl auf Sperrholz, hölzerne Pultvitrinen
Bilder jeweils 265 x 435 cm, Pultvitrinen mit Textblättern A4, Höhe ca. 120 cm
430.000 €
nicht-offener Wettbewerb / Einladungswettbewerb mit 14 Teilnehmern

Deutsche Nationalbibliothek
Treppenhaus zur Tiefgarage
während der Öffnungszeiten zugänglich

Künstler : Ilya Kabakov

Kabakov, Ilya (* 1933 in Dnepopetrovsk, lebt in New York) ist ein aus der Ukraine stammender international und gemeinsam mit seiner Frau Emilia Kabakov arbeitender Künstler. 1992-93 lehrte er an der Städelschule in Frankfurt am Main. Kabakov hat ausgesprochen viele Installationen realisiert, die vor allem im Museums- oder Ausstellungszusammenhang entstanden sind. Hervorzuheben ist unter dem Aspekt des Bezugs zu nichtmusealen Räumen seine permanente Installation „Palast der Projekte“ für die Zeche Zollverein in Essen (2001). Kunst am Bau schuf er für die Polizeistation in Utrecht (1991) sowie das deutsche Auswanderermuseum in Bremerhaven.

Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main

Deutsche Nationalbibliothek

Architektur: Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser, Gisela Kaiser
Bauzeit: 1992-1996

Deutsche Nationalbibliothek
Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main
Hessen

Den 1981 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb gewannen die Stuttgarter Architekten Mete Arat, Hans-Dieter Kaiser und Gisela Kaiser 1983 und erhielten auch den Planungsauftrag. Die Realisierung erfolgte 1992-96, eröffnet wurde der Bibliotheksbau 1997.